Warum es sinnvoll ist, die Finanzierung auf Gründerinnen auszurichten

Unternehmerinnen erobern systematisch die weltweite Gründerszene und haben sich zuletzt zur am schnellsten wachsenden Gründergruppe der Welt entwickelt (Birkner, Ettl, Welter, & Ebbers, 2018). Mit innovativen Lösungen folgen sie nicht nur ihren männlichen Kollegen, sondern wagen sich zunehmend in neue Bereiche des Unternehmertums vor. Diese von Frauen geführten Startups bieten vielversprechende, aber oft ungewöhnliche Investitionsmöglichkeiten, bei denen Investoren über den Tellerrand hinausschauen müssen. Das Aufkommen von Femtech, das sich zu einem Oberbegriff für innovative, technologieorientierte Produkte und Dienstleistungen entwickelt hat, die auf die Bedürfnisse von Frauen zugeschnitten sind, hat gezeigt, wie sehr sich die von Männern dominierte Gemeinschaft von Investoren schwertut, das Potenzial der Bedürfnisse von Frauen zu erkennen.

Grund Nr. 1: Die Zahl der Gründerinnen wächst, die Investitionen jedoch nicht

Während Investoren großartige Investitionsmöglichkeiten verpassen, fehlt den Gründerinnen eine angemessene Finanzierung, um ihr Geschäft auszubauen. Das Verhältnis von Gründerinnen und deren Zugang zu Kapital ist komplex. In den letzten zehn Jahren haben bedeutende Untersuchungen gezeigt, dass Frauen weltweit Schwierigkeiten beim Zugang zu Unternehmensfinanzierung haben. Somit wächst die Gesamtzahl der Unternehmerinnen und damit auch ihr Zugang zu Kapitalfinanzierung (Birkner, et al., 2018). Die Begeisterung verfliegt jedoch schnell, wenn wir uns die Zahlen genauer ansehen. Brush und seine Kollegen (2018) taten dies und stellten fest, dass trotz der häufigen Forderung nach gemischten Teams rein männliche Venture-Teams immer noch viermal häufiger Mittel von Venture-Capital-Investoren erhalten als Ventures mit nur einer Frau in ihrem Team. Nur 2,7 % der mit Risikokapital finanzierten Unternehmen hatten einen weiblichen CEO. Inzwischen hatten 86 % aller mit Risikokapital finanzierten Unternehmen keine Frauen in Führungspositionen (Brush et al. 2018). In der Schweiz ist die Situation nicht viel anders: Der Swiss Venture Report hat 2018 erstmals weibliche Startups untersucht und gezeigt, dass 10 von 175 Startups einen weiblichen CEO haben: Diese Unternehmen erhielten rund 2% der Investitionen (Schweizer Risikokapitalbericht, 2018). Der 2019 veröffentlichte Bericht „The State of European Tech“ zeichnet ein noch düstereres Bild für Europa: Die Finanzierung von rein weiblichen Gründerteams ging 2019 zurück. Während 91,6 % der Finanzierung in Männerteams investiert wurde, wurden nur 0,4 % in Frauenteams investiert – obwohl sie 21 % der Stichprobe ausmachten.

Grund Nr. 2: Mangelndes Verständnis dafür, warum und wie diese Lücke am besten geschlossen werden kann

Der Zugang zu Gründungsfinanzierung ist seit langem das beliebteste Thema in der Unternehmerinnenforschung (Henry, Foss & Ahl 2016). In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich deutlich gezeigt, dass die geschlechtsspezifische Kluft in der Unternehmensfinanzierung existiert und fortbesteht. Weltweit haben Gründerinnen deutlich seltener Zugang zu unternehmerischer Finanzierung als männliche Unternehmer (Edelmann et al. 2018). Frauen stehen vor Herausforderungen bei der Beschaffung von Fördermitteln, unabhängig von unterschiedlichen institutionellen und kulturellen Kontexten, Sektoren, Größen oder Entwicklungsstufen (Leitch et al. 2019, S.104). Wissenschaftler haben herausgefunden, dass externe Ressourcenanbieter Gründerinnen höhere Zinssätze in Rechnung stellten (z. B. Fraser, 2005; Wu und Chua, 2012) und sie aufforderten, mehr Informationen offenzulegen (z. B. Constantinidis et al., 2006; Murphy et al., 2007). ) und kleinere Darlehen gewährten (Eddleston et al., 2016). Angesichts dieser Vorurteile ist es wenig überraschend, dass Unternehmerinnen weniger formelle und externe Quellen verwenden, um ihr Geschäft zu finanzieren und auszubauen (Yang et al. 2020).

Welche Faktoren haben Forscher identifiziert, die die Finanzierung beeinflussen?

Trotz dieser reichen Demonstration des anhaltenden Geschlechtergefälles sind wir noch weit davon entfernt, die formellen und informellen Herausforderungen zu verstehen, denen Gründerinnen bei der Beschaffung von Finanzierungen gegenüberstehen (Leitch et al. 2019). Heute wissen wir jedoch, dass ein komplexes Zusammenspiel individueller, organisatorischer und institutioneller Faktoren bei der Suche nach unternehmerischer Finanzierung eine Rolle spielt (Leitch et al. 2019).

Die heutigen zwei Sichtweisen auf den Finanzierungskampf von Frauen koexistieren: Die erste Sichtweise, die immer noch vorherrscht, konzentriert sich auf Faktoren, die die Nachfrage nach Finanzierung von Gründerinnen beeinflussen. Diese Perspektive konzentriert sich stark auf individuelle Merkmale und betont beispielsweise die geringere Bereitschaft von Frauen, wachstumsorientierte Firmen zu gründen (Bitler, Robb, Wolken, 2001); Unterschiede in der Risikobereitschaft (Sanchez, Fuentes-Garcia, 2010); geringere unternehmerische Selbstwirksamkeit (Kirkwood, 2009); und weniger Finanzwissen (Lusardi und Mitchel, 2014; Riding, Nitani und Orser, 2017). Die zweite Perspektive betont die Angebotsseite, indem sie sich auf Faktoren auf der Makroebene konzentriert (wie die Merkmale einer Region, eines Landes oder einer Gesellschaft), die außerhalb der Kontrolle der einzelnen Unternehmerinnen liegen. Beispiele sind die Existenz von Netzwerken, die Unternehmerinnen ausschließen (Eddleston et al. 2016), geschlechtsspezifische Vorurteile bei Bank- und Investorenentscheidungen (Zazzaro et al. 2010) oder Homophilie bei der Beschaffung von Eigenkapital (Sohl et al. 2007).

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